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Zusammenfassung des Vortrags von Hans-Dieter Kuhn vom 6. Mai 2010 in der VHS Konstanz
Johann Martin Schleyer -
Relief an seinem Wohnhaus in der Konstanzer Schottenstraße
"Es sollte eine Weltsprache geben!". Diesen Wunsch hatte nicht nur der Philosoph Leibniz, als er im 17. Jahrhundert versuchte, den Gedanken einer allgemeinen Weltsprache umzusetzen, dabei allerdings nicht über eine Symbolschrift hinauskam. Nach vielen fehlgeschlagenen Versuchen mehrerer Sprachliebhaber im 19. Jahrhundert gelang dem katholischen Pfarrer Johann Martin Schleyer aus Litzelstetten bei Konstanz im Jahr 1879 der Entwurf einer künstlichen Sprache (Plansprache), die er Volapük (Weltsprache) nannte.
In dem kleinen Ort Alberweiler bei Biberach (Oberschwaben) war 1880 eine aus etablierten Bürgern bestehende private Gruppe von dieser Sprache hell begeistert und gründete den ersten Volapük-Verein der Welt. Von hier trat die Sprache die Eroberung der Welt an. Zuerst in Württemberg, dann in Bayern und in mehreren deutschen Ländern, bis sie nach wenigen Jahren in anderen Kontinenten Fuß fasste und in vielen Ländern rund um den Globus bekannt wurde.
Der erste Volapük-Kongress fand 1884 in Friedrichshafen statt. Hier ließ sich Schleyer als "datuval volapüka" (großer Erfinder der Weltsprache) feiern und betonte besonders das Urheberrecht an seiner Sprache. 1885 gründete Schleyer in Konstanz das erste Weltsprachebüro, 1886 den Konstanzer Volapükaklub, der zeitweise bis zu 300 Mitglieder stark war. Schleyer gab mehrere Auflagen an Wörter- und Grammatikbüchern heraus, die er jedesmal weiter vervollständigt hatte.
1887 fand in München der zweite Volapük-Kongress statt. Dort wurden etliche kritische Stimmen laut. Vor allem drängten viele Volapük-Sprecher auf eine Vereinfachung des Wortschatzes und der Grammatik. Schleyer ließ zunächst keine Änderungen an seiner Erfindung zu, musste schließlich in einigen Punkten seinen Kritikern nachgeben. Die Volapük-Akademie, die auf dem Münchner Kongress gegründet worden war, wurde der Sprache bald wegen ständiger Opposition gegen Schleyer und interner Uneinigkeit zum Verhängnis.
1888 hatte die Sprache ihren Höhepunkt erreicht. Auf dem dritten Kongress 1889 in Paris, den der Vorstand der Akademie gegen Schleyers Willen einberufen hatte, ging es an die Substanz der Sprache. Hier wurde über sehr weitgehende Reformen diskutiert, mit denen Schleyer nicht einverstanden sein konnte. Er arbeitete mühsam an seiner "gemäßigten" Sprachreform, hatte jedoch zu wenige Geldmittel, um geänderte Wörter- und Grammatikbücher herauszugeben. Die Volapük-Akademie, damals mit Sitz in Paris, brachte von sich aus und gegen Schleyers Willen mehrere Auflagen an Wörter- und Grammatikbüchern heraus. Inzwischen existierten drei Varianten der noch jungen Weltsprache: 1. die ursprüngliche Schleyers; 2. die gemäßigt geänderte Schleyers; 3. die stark veränderte der Akademie. Dadurch verloren die Volapük-Sprecher bald das Vertrauen in diese Sprache. Viele von ihnen wandten sich der vom polnischen Augenarzt Dr. Zamenhof 1887 veröffentlichten leichteren Plansprache "Esperanto" zu.
Schleyer gründete 1890 eine Gegenakademie, die seine Richtung des Volapük durchsetzen sollte, im Ergebnis allerdings wirkungslos blieb. Mit einem pompösen Fahnenweihefest im Sommer 1890 in Konstanz versuchte Schleyer der Pariser Akademie Paroli zu bieten. Tatsächlich war Volapük damals schon nicht mehr zu retten. Einige Zeit später legte Schleyers treuester Gefährte Rupert Kniele, der einst die Sprache in Württemberg vorangebracht hatte, alle Volapük-Ämter nieder und trennte sich ganz von der Sprache. Dass Schleyer 1894 vom Papst zum Geheimkämmerer ernannt und ihm der Titel Monsignore verliehen wurde, mag ihm ein kleines Trostpflaster gewesen sein.
1902 gestaltete W. Rosenberger in St. Petersburg die Sprache so radikal um, dass daraus eine neue Plansprache entstand, die "Idiom Neutral" genannt wurde. Schleyer polemisierte auf verlorenem Posten gegen Esperanto und versuchte, sein neues Wörterbuch mit allen von ihm genehmigten Änderungen herauszugeben. Dies scheiterte an den finanziellen Mitteln. Er musste noch erleben, dass sich 1910 in der Schweizer Nachbarstadt Kreuzlingen eine Esperanto-Gruppe etablierte.
1912 starb Schleyer arm und verbittert. Seine Erfindung, die Weltsprache Volapük, war nach zwei Jahrzehnten untergegangen.
Hans-Dieter Kuhn
bei seinem Vortrag am 06.05.2010 in der VHS Konstanz
Zum Autor:
Hans-Dieter Kuhn, Jahrgang 1947, ist diplomierter Finanzwirt und Regionalhistoriker. Er arbeitet mit dem Hegau-Geschichtsverein zusammen.
Zum Thema:
Der Artikel, auf dem dieser Vortrag basiert, erscheint Ende September 2010 im Hegau-Jahrbuch, das der Hegau-Geschichtsverein herausgibt.
Ende 2010 erscheint ein Buch mit dem Titel "Die Plansprachen Volapük und Esperanto in Konstanz", worin der Autor alle Details seiner Forschungen darstellt, die die gesamten Ereignisse in Konstanz und Umgebung bezüglich dieser beiden Plansprachen betreffen.
Letzte inhaltliche Überarbeitung dieser Seite: 05/2010.
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